Seminar mit Thomas Härry
Schwach und trotzdem stark
«Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig» – so steht es in der Bibel. Im Alltag neigen jedoch viele dazu, Schwäche zu vermeiden. Doch wenn wir lernen, sie anzunehmen und auf fromme Lebenslügen verzichten, kann ein geistlicher Schatz entstehen, der uns auf unerwartete Weise brauchbar macht für Gott, sagt der Theologe Thomas Härry.
Livenet: Thomas Härry, Sie leiten Mitte November das Seminar «Schwach und trotzdem stark» des Theologischen Seminars Bienenberg. Kennen Sie Ihre Schwächen?
Ja, wenigstens einige davon. Man durchschaut sich selbst ja nie ganz. Die Frage ist, was wir unter «Schwächen» verstehen. Meinen wir damit charakterliche Mängel? Dann sollten wir uns nicht einfach mit ihnen abfinden. Meinen wir gewisse Grenzen oder Verlusterfahrungen? Ein guter Umgang damit sieht völlig anders aus.
Grenzen, Wunden, Schwachheiten: Warum tun sie so weh, warum wehren wir uns so dagegen?
Weil wir Menschen gerne gut, stark, unantastbar, erfolgreich, schön… etc. sein wollen. Wir sind nicht gerne bedürftig, wir sind nicht gerne abhängig. Es ist uns peinlich, wenn wir nicht alles im Griff haben.
Warum haben Sie sich gewinnen lassen, zu diesem Thema zu referieren?
Ich erlebe es oft, dass Menschen sich von Schwachheiten lähmen lassen, gerade auch Christen. Sie wollen sie so schnell wie möglich loswerden. Gelingt dies nicht, geben sie sich selbst auf. In manchen sogenannten «Schwachheiten» aber steckt verheissungsvolles Potential. Die Bibel zeigt eindrücklich, wie manche Stärken auf dem Boden von Schwachheiten wachsen. Das ist auch meine Erfahrung. Deshalb spreche ich gerne über dieses Thema.
Dürfen wir denn nicht stark sein?
Wir dürfen stark sein und wollen fröhlich feiern, wo wir das erleben. Aber wir sollten nicht so tun, als wären wir immer nur stark. Wir sollten auch nicht ständig versuchen, unsere Schwachheiten loszuwerden, beispielsweise mit frommen Strategien. Gott kann sie brauchen - manche davon nicht weniger als unsere vermeintlichen Stärken! Echte Stärke hat nur bedingt etwas mit dem zu tun, was wir unter «Starksein» verstehen. Sie hat eher mit dem zu tun, wer Gott ist und was er vermag, als damit, wer wir selbst sind.
Ein feiner Grat: Sich auf Schwächen ausruhen und sie als Ausflucht zu nutzen oder sie willkommen heissen und sie von Gott gebrauchen lassen. Wie schafft man es, nicht auf der einen Seite vom Pferd zu fallen?
Indem man einige, auch fromme Lebenslügen ablegt, sich selbst weniger vormacht und offen ist, den feinen Unterschied wirklich verstehen und danach leben zu wollen. Mit frommen Lebenslügen meine ich einseitige Überzeugungen wie: «weil Gottes Kraft in mir ist, muss ich mich immer stark und fröhlich fühlen» – «Wenn ich Schwachheit erleben, stimmt etwas nicht mit mir oder meinem Glauben.» Doch auch das Gegenteil gehört in die Kategorie Lebenslügen: «Je schwächer und elender ich mich fühle, umso besser» – «Ich bin nun halt mal schwach; es soll deshalb keiner etwas von mir erwarten. Ich habe nichts zu geben; ich brauche viel mehr, dass man sich um mich kümmert.» Beides sind Verzerrungen der biblischen Ermutigung, dass Gott in den Schwachen mächtig ist.
Ziel des Seminars ist es, die Kompetenz zu erwerben, schwierigen Erfahrungen nicht auszuweichen. Warum ist sie so wichtig?
Weil Gott sie brauchen kann und will! Sie sind wertvolles Rohmaterial für seine Pläne mit uns. Wir handeln töricht, wenn wir ausgerechnet das loswerden wollen, woraus Gott so viel machen kann. Und: Weil wir nach schwierigen Erfahrungen nur auf diesem Weg wieder Hoffnung und Zuversicht finden.
Wie beschreiben Sie Ihre Stärken?
Einige meiner Stärken haben mit meinen Fähigkeiten zu tun - kommunizieren etwa. Andere sind die Auswirkung von Gottes Wirken inmitten meiner Grenzen: Ehrlichkeit, Verständnis, Gelassenheit und Ermutigung gehören dazu.
Seminar «Schwach und trotzdem stark» mit Thomas Härry
Theologisches Seminar Bienenberg
15. – 16. November 2014
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Zum Thema:
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet / Theologisches Seminar Bienenberg